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Erben und Konflikte Kolumne

Streit um das Erbe

Streit um das Erbe

M und E, die je 1/2 Miteigentümer eines von ihnen bewohnten Einfamilienhauses sind, haben 2 Kinder, K1 und K2. E verstirbt. Ein Testament hatte der Erblasser mit seiner Ehefrau nicht errichtet.

Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Im Wege der gesetzlichen Erbfolge hat die Ehefrau M ihren Ehemann zu 1/2 und die Kinder ihren Vater zu je 1/4 beerbt. Die Kinder bilden zusammen mit ihrer Mutter eine Erbengemeinschaft. K1, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, begehrt die sofortige Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft.
Er möchte von seinem Bruder und seiner Mutter ausgezahlt werden. Um den Druck zu erhöhen, droht er beiden mit einem Antrag auf Teilungsversteigerung in Bezug auf das von der Mutter allein bewohnte Einfamilienhaus. Seine Mutter, die über kaum liquide Mittel verfügt, ist über das Verhalten ihres Sohnes entsetzt. Mit ihrem verstorbenen Ehemann hätte sie sich überhaupt nicht vorstellen können, dass eines der Kinder noch zu Lebzeiten eines Elternteils irgendwie geartete Ansprüche stellen würde.

M und E wären gut beraten gewesen, wenn sie zwecks Vermeidung einer Erbengemeinschaft sich gegenseitig in einem Testament als Alleinerben eingesetzt hätten, um sicherzustellen, dass der überlebende Ehegatte Alleineigentümer der Immobilie wird. Die Freibeträge sind auch so hoch, dass in der Regel keine Erbschaftssteuer anfällt. Aber Vorsicht! Die Einsetzung der Ehefrau als Alleinerbin hätte vorliegend die Enterbung der Kinder zur Folge gehabt mit der Folge, dass Pflichtteilsansprüche der Kinder mit dem Ableben des Erstversterbenden ausgelöst werden. Als Abkömmlinge gehören K1 und K2 zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis.

Pflichtteilsberechtigt sind ferner die Ehefrau und die Eltern des Erblassers, sofern keine Abkömmlinge vorhanden sind. Nicht zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis gehören allerdings die Geschwister des Erblassers. Bei dem Pflichtteilsanspruch handelt es sich um einen ausschließlich auf Geldzahlung gerichteten Anspruch gegen den Erben. Verhindern lassen sich Pflichtteilsansprüche der Kinder – von der notariellen Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts einmal abgesehen – nicht. Allerdings kann die Regelung einer Pflichtteilsstrafklausel oder die Anordnung eines Vermächtnisses zu Gunsten des Kindes, das nicht vorzeitig den Pflichtteilsanspruch geltend macht, dazu beitragen, dass Kinder davon Abstand nehmen, nach dem zuerst versterbenden Elternteil ihre Pflichtteilsansprüche durchzusetzen.

Gerade bei Erbstreitigkeiten kommt es immer wieder vor, dass ein erheblicher Streit zwischen den Kindern entsteht. Eltern wollen teilweise nicht zur Kenntnis nehmen, dass sich ihre Kinder über Jahre entfremdet haben. Oft leben sie weit voneinander entfernt und gehen völlig unterschiedliche Lebenswege.

Präventiv sollte daher schon zu Lebzeiten ein offener Umgang mit den Kindern geführt werden. Auch Unangenehmes sollte zur Sprache gebracht werden. In einem Testament drücken die Eltern nämlich die Wertschätzung gegenüber ihren Kindern aus. Kinder wollen aber in der Regel von ihren Eltern gleichbehandelt werden. Die Ehegatten sollten daher zu Lebzeiten beide ein Testament abfassen und dabei schon ihre Kinder mit einbeziehen.

Jörg Fricke
Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht und
Mitglied im Vorstand der NEST e.V.

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