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Kolumne Trauer

„Mutter, wie kannst Du nur!“

Mutter, wie kannst Du nur!

Diesen Satz fürchten Eltern, wenn es nach der Trauer um den Ehepartner irgendwann einen neuen Menschen in ihrem Leben gibt. Aber nicht nur die Angehörigen, nein auch die Nachbarn im Dorf schauen genau hin, wenn da vor dem Haus der Witwe ein anderes Auto auftaucht und vielleicht sogar über Nacht stehen bleibt.

Eine neue Partnerschaft ist ein schwieriges Thema. Was zu Beginn der Trauerzeit undenkbar erscheint, wird irgendwann vielleicht doch eine Frage: Will ich auf Dauer alleine bleiben? Brauche ich wieder einen Menschen, mit dem zusammen mein Leben mehr Spaß macht?

Oft ergibt sich der Kontakt völlig unbeabsichtigt. Eine Frau aus der Nachbarschaft kümmert sich um den Witwer. Ein Freund des verstorbenen Mannes hilft der Witwe im Haus oder im Garten. Im Internet chatten zwei Menschen, die nach dem plötzlichen Tod ihrer Partner die Kinder alleine großziehen müssen. Und nach und nach merken beide, dass sie mehr verbindet.

Der Schritt, anderen zu erzählen, dass man sich neu verliebt hat oder eine neue Beziehung eingehen möchte, macht vielen Angst. Was sagen die Kinder? Wie werden die Freunde reagieren?

Männern wird eher zugestanden, sich relativ schnell neu zu binden. Oft heißt es dann: „Der Arme braucht doch jemanden, der sich um ihn kümmert.“ Statistisch gehen Witwer auch schneller eine neue Beziehung ein, als Frauen, die ihren Mann verloren haben.

Bei den Kindern sind die Reaktionen zweigeteilt. Manche sind froh, dass Mutter oder Vater nicht mehr alleine ist. Sie freuen sich für den Elternteil. Oder sie sind erleichtert, dass sie den Zurückgebliebenen nicht immer in ihr Leben einbeziehen müssen.

Andere können die neue Beziehung nicht akzeptieren, weil sie das Gefühl haben, ein Fremder will den Platz des Verstorbenen einnehmen. Manchmal spielt aber auch die Angst um das Erbe eine Rolle. Gibt Vater oder Mutter nun das verbliebene Geld mit dem neuen Partner aus?

Der Hinterbliebene sollte sich aber nicht von negativen Reaktionen abschrecken lassen. Es ist das eigene Leben, das er oder sie gestalten muss. Meist gewöhnt sich die Umgebung schneller als nach der ersten Aufregung vermutet an die neue Situation.

Ursula Koch-Traeger,
Vorsitzende NEST e.V.

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