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Kolumne Trauer

„Du willst doch wohl nicht in die Disco?“

„Du willst doch wohl nicht in die Disco?“

Trauer von Jugendlichen

„Du willst doch wohl nicht in die Disco?“ Dieser erschreckte Ausruf entfährt Angehörigen, wenn Jugendliche nach einem Todesfall für sie unangemessen reagieren.

Während die Familie nach der Todesnachricht zusammenrückt, will der Jugendliche ausgehen. Völliges Unverständnis und die Vermutung „Der trauert ja gar nicht“ führen zu Ärger und Auseinandersetzungen in der Familie und zu Frust bei dem jungen Menschen.

Was oft übersehen wird: Jugendliche trauern anders. Sie brauchen jetzt die Nähe ihrer Freunde und vertraute Orte. Sie wollen nur ihr „normales“ Leben wieder haben. In die Disco zu gehen, heißt nicht ausgelassen
feiern, sondern vielleicht weinend in einer dunklen Ecke von der Freundin getröstet werden.

Auch der schnelle Rückweg in den Schulalltag wird oft
missverstanden. Selbst wenn man sich nicht konzentrieren kann, ist die Schule mit ihren vertrauten Strukturen und der Klassengemeinschaft ein Fluchtpunkt vor der Traurigkeit zuhause oder beim Alleinsein.

Für die Umgebung ist es unverständlich, dass besonders Jungen scheinbar alles „cool“ wegstecken. Wie sehr Jugendliche durch den Verlust nahestehender Menschen leiden, zeigen sie oft anders, als wir uns Trauer vorstellen. Sie ziehen sich zurück, sind launisch, schwanken zwischen unnahbar und anhänglich, sind „faul“ oder aggressiv. Wer vermutet dahinter schon die Trauer um den verunglückten Freund oder die verstorbene Oma?

Und keinesfalls sollte man mit dem Vorschlag eines Gesprächs mit Seelsorger oder Therapeut kommen. Lapidare Antwort: „Ich bin doch nicht psycho!“ Auch sonst sind die von den besorgten Erwachsenen aufgedrängten Gespräche eher ein Grund, jetzt erst recht nicht zu reden.

Viel Einfühlungsvermögen und Geduld sind in der Begleitung trauernder Jugendliche gefragt.

Wichtig ist immer wieder das Warten auf Momente, in denen der Jugendliche von sich aus das Gespräch sucht oder Trost braucht. Das fällt den Angehörigen in ihrer eigenen Trauer meist schwer. Hier sind Verwandte, Freunde, Paten oder Lehrer als Helfer gefragt, die allen Betroffenen ohne Parteinahme verständnisvoll beistehen und manchmal auch vermittelnd eingreifen.

Ihre Ursula Koch-Traeger
(Vorsitzende NEST e.V.)

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